Ortsverbindungsstraße Kühnhausen – Elxleben K56, Erdfallsicherung
Stadtverwaltung Erfurt (seit 2013)
Ausgangssituation
Am Montag, den 06.05.2013, wurde am Nachmittag durch die Polizei ein Loch in der Asphaltdecke der Sondershäuser Straße (K 56) nördlich von Erfurt-Kühnhausen in der Fahrspur Richtung Elxleben gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Loch oberflächig erkennbar eine Abmessung von ca. 30 x 40 cm. Offenkundig überspannte dabei der Asphalt ohne Auflagerung einen größeren Hohlraum, so dass sofort eine halbseitige Sperrung der Straße erfolgte. Nach Beseitigung der Asphaltdecke wurde ein Hohlraum mit einer messbaren Tiefe von ca. 1,6 m, einer Längsausdehnung von ca. 1,6 m und einer Breite von ca. 1,0 m festgestellt. Bei den Verfüllarbeiten kam es dann noch zu einem Nachbruch mit einer glockenförmigen Vertiefung bis auf 3,5 m. Für die Verfüllung des Loches wurden 25 t Rollkies benötigt, was einem Volumen von rund 15 m³ entspricht.
Zur Bewertung der Situation wurde die vgs InGeo GmbH und als oberste Instanz des Landes Thüringen in Frage der Geologie, das Thüringer Landesamt für Umwelt und Geologie – TLUG herangezogen. Aufgrund der typischen Erscheinungsform und in allgemeiner Kenntnis der vorliegenden geologischen Situation handelte es sich bei dem Einbruch um einen Erdfall. Mit dem Begriff „Erdfall“ wird ist ein plötzlicher Einbruch der Erdoberfläche beschrieben. Er entsteht durch das allmähliche Versagen des tragenden Deckgebirges über einem natürlich entstandenen Hohlraum.
Im Zusammenhang mit weiteren Erdfällen der Vergangenheit in einem Korridor zwischen der Landstraße und der Bundesstraße wurde durch die TLUG direkt eine Umstufung des betroffenen Bereiches als akutes Erdfallgebiet vorgenommen. Da das Auftreten weiterer Erdfälle, welche die Verkehrssicherheit erheblich gefährden würden, nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde die Straße seit dem 14.05.2013 für den Verkehr gesperrt.
Im Auftrag der Stadt Erfurt wurden dann zur Gefährdungseinschätzung und Grundlagener-mittlung für die Planung von Sicherungsmaßnahmen umfangreiche geologische Erkundungen (Kartierungen, Bohrungen, Geophysikalische Untersuchungen) und Recherchen durchgeführt, in deren Ergebnis der Gefährdungsbereich eingegrenzt und das Gefährdungspotenzial ermit-telt wurde.
Die besondere Erdfallgefährdung resultiert aus bis in eine Tiefe von 27 m unter Geländeober-kante anstehenden Gipsen ( sogenannter Heldburggips). Diese Gipse werden unter dem Einfluss von Wasserbewegung im Untergrund gelöst bzw. ausgelaugt. Dieser in geologischen Zeiträumen von tausenden Jahren sehr langsam von statten gehende Prozess wird als
Subrosion bezeichnet. Im Ergebnis entsteht innerhalb der Gipsschichten, welche eine Mächtigkeit von fast 20 m besitzen und von 4 m bis 7 m starken Lockergesteinen bedeckt werden, ein kavernös, löchriges Grundgebirge mit Hohlräumen unterschiedlichster Größe und Form, vergleichbar einer Wabenstruktur. Mit der langsam zunehmenden Vergrößerung dieses Hohl-räume kann es zum lokalen Durchbruch der bedeckenden Schichten bis an die Erdoberfläche kommen, die dann als Erdfall bezeichnet werden. Daneben kommt es aber oft an der Geländeoberfläche auch nur zu weitspannigen Absenkungen ohne Brucherscheinungen, wie sie zum Beispiel auf den Ackerflächen beiderseits der Straße zu erkennen sind und zeitweise zur regelrechten Seenbildungen auf dem Acker führen. In dieser Hinsicht interessant und aufschlussreich ist auch die Straßenbezeichnung „Am Seefeld“ am Nordrand von Kühnhausen.
Ein Verständnis für die Vorgänge erhält man, wenn man sich die nahe gelegenen Hügel west-lich der B4 und hier hervorstechend die der Schwellenburg ansieht. Die Kuppe der Schwell-lenburg besteht aus Gipsen der gleichen geologischen Formation, wie sie im Untergrund der Straße vorhanden ist. Die hohe Reinheit dieser Heldburggipse war auch der Grund dafür, dass früher in der Umgebung von Elxleben, wie auch auf der Schwellenburg, im größeren Umfang Gips abgebaut/ gebrannt wurde. Man kann auf der Schwellenburg sogar natürliche höhlenartige Hohläume und Auslaugungsformen sehen. Bei der Hügelkette westlich der B4 handelt es sich um eine geologische Störungszone (Erfurter Störungszone) im Zusammenhang mit tektonischen Prozessen in Form von Hebungen und Senkungen vor langer Zeit. Im Resultat der durchgeführten Untersuchungen lässt sich eine nach Nordwesten verbreiternde Grabenstruktur zwischen der Landstraße und der Bundesstraße ableiten. Vereinfacht ausgedrückt ist ein ganzer Block abgesunken, so dass sich im Untergrund der Straße die Gipse befinden, welche bei der Schwellenburg hoch über der Straße liegen.
Betrachtet man die auf der Schwellenburg vorhandenen natürlichen Hohlräume bekommt man ein ungefähre Vorstellung von den Verhältnissen im Untergrund der Straße- nur dass hier zusätzlich durch den permanenten Wasserzufluss weitaus mehr und größere Hohlräume entstehen konnten.
Im Resultat der Untersuchungen wurde im Zusammenwirken mit der TLUG die Möglichkeit von Erdfällen im Bereich der Landstraße K56 auf einer Strecke von 250 m in Richtung Elxleben beginnend vom der Zufahrt zur B4 nördlich von Kühnhausen festgestellt.
Der überwiegende Teil des gefährdeten Bereiches befindet sich auf dem Erfurter Stadtgebiet, ein kleiner Teil erstreckt sich dabei auch auf das Gebiet des Landkreises Sömmerda.
Dabei handelt es sich nicht um einen einzelnen Erdfall, sondern um ein wasser-/ schlammerfülltes Karst-(Höhlen)-system im tieferen Untergrund, welches ein Potential für Durchbrüche in Form von Erdfällen bis mehrere Meter Durchmesser bis zur Geländeoberfläche darstellt.
Planung
Erste Planungen im Auftrag des Tiefbau- und Verkehrsamtes der Stadt Erfurt, liefen bereits parallel zu den Erkundungsarbeiten im Mai 2013. Die anfänglichen Überlegungen orientierten auf eine sogenannte aktive Sicherung, bei der vorhandene Hohlräume zerstört und/oder aufge-füllt werden sollten. Mit Fortführung und Verdichtung der Baugrunderkundung wurde aber offensichtlich, dass die auslaugungsgefährdeten Schichten des Untergrundes deutlich tiefer lagen als zunächst angenommen, so dass Maßnahmen zur Untergrundverbesserung unwirtschaftlich und nicht mehr kalkulierbar waren. Eine Variantenbetrachtung im Zuge der Vorplanung ergab dann als wirtschaftlichste und technisch beste Lösung die Sicherung mittels Erdfallschutzplatte aus Stahlbeton (passive Sicherung), die unter der Straße angeordnet wird.
Die im Untergrund bis in große Tiefen und nach der Lage, Form und Größe kaum sicher er-fassbaren vorhandenen Hohlräume werden dabei belassen, d.h. die Auslöser der Erdfälle wer-den bewusst nicht beseitigt. Dies stellt auch sicher, dass keine Veränderungen im Untergrund, z.B. beim Grundwasserabfluss, entstehen, deren Auswirkungen nicht vorhersehbar sind. Bei einem Durchbrechen einzelner Hohlräume bis an die Oberfläche wird jedoch durch die über-brückende Wirkung der Platte ein schlagartiges Versagen der Straße verhindert. Die Platte wirkt, sobald ein Erdfall auftritt, faktisch wie eine Brücke, nur dass sie eben nicht zu sehen ist.
Die Platte ist so dimensioniert, dass Erdfälle mit einem Durchmesser bis zu 4 m ohne erkenn-bare Verformungen an der Oberfläche überbrückt werden. Erst bei einer Aufweitung des Erdfalltrichters über diesen Durchmesser hinaus treten erkennbare Absenkungen an der Oberfläche auf, aber ohne dass die Platte bricht. Die Verkehrssicherheit ist dabei in jedem Fall gewährleistet. In diesem Fall würden dann Maßnahmen zur Verfüllung des unter der Platte befindlichen einzelnen Erdfall erfolgen. Die Platte ist nach Fertigstellung für die Verkehrsteilnehmer nicht mehr sichtbar, da sie mit einer ganz normalen Fahrbahn überbaut und an den seitlichen Rändern überschüttet wird. Über die mögliche Verfüllung eines größeren Durchbruches unter Platte hinaus sind keine Wartungsaufwendungen für die Schutzkonstruktion erforderlich. Risiken aus einer aufwendigen, technischen Überwachungsanlage, bei der über lange Zeiträume eine Fehlerfreiheit nie wirklich gewährleistet werden kann, existieren somit nicht.
Der Sicherungsbereich (=Erdfallschutzplatte) hat eine Länge von 250 m und endet im Süden Richtung Kühnhausen am Zubringer zur B 4.
Darüber hinaus erfolgt im Zuge der Baumaßnahme auf einer Länge von 50 m ein grundhafter Ausbau der K 56 in Höhe des Zubringers zur B 4. In diesem Bereich sind aufgrund der geologischen Verhältnisse keine Sicherungsmaßnahmen gegen Erdfallgefahr erforderlich.